Immer mehr Menschen leben heute mit Lebensmittelunverträglichkeiten – und sie wünschen sich trotzdem ein unvergessliches Restauranterlebnis.

Für die Gastronomie bedeutet das neue Herausforderungen, aber auch neue Chancen: Wer Laktoseintoleranz, Zöliakie, Histamin- oder Fruktoseintoleranz professionell berücksichtigt, zeigt nicht nur kulinarische Kompetenz, sondern auch echte Gastgeberqualitäten.

Jeder kennt es doch: Man will mit Freunden, Familie oder Kollegen essen gehen, aber mindestens eine Person hat Unverträglichkeiten, sodass die Wahl des Restaurants schwierig ist oder die Betroffenen nur zaghaft einen Salat oder eine Suppe bestellen, während die anderen normal essen können. Das ist für alle unangenehm. Damit ein Restaurantbesuch wirklich für alle Gäste ein tolles Erlebnis wird, muss man als Gastronom sich heute auf vieles einstellen.

Und es sind keine Befindlichkeiten, keine Wichtigtuerei, wie es Nichtbetroffene vielleicht manchmal sehen, sondern es sind echte Beschwerden, Krankheitszustände, die eigentlich harmlose Lebensmittel, Gewürze und Zutaten bei Betroffenen auslösen können. Besonders schlimm ist es, wenn Kinder betroffen sind, die sich noch nicht selbst versorgen können und immer darauf angewiesen sind, dass fremde Erwachsene Verständnis zeigen und ihnen in KiTa, Schule und bei Geburtstagsfeiern etwas anbieten, was sie vertragen.

Als Gastronom tut man nicht nur etwas Gutes, wenn man Unverträglichkeiten berücksichtigt, man sammelt so immer mehr Stammgäste, die das Restaurant als sicheren Garant für gelungene Anlässe ansehen, weil alle Gäste etwas finden können, was ihnen schmeckt. Dabei muss die Speisekarte nicht überladen sein. Wir geben Tipps, wie man diese neuen Herausforderungen in der Gastronomie bewältigen kann.


Essen gehen mit der Familie ist nicht mehr so unkompliziert wie früher. Gerade viele Kinder haben Unverträglichkeiten und Allergien. (Bild: Robert Kneschke – shutterstock.com)

Die neue Realität im Restaurantbetrieb

Ein entspanntes Dinner, ein feines Menü, eine Weinbegleitung – für Gäste mit Intoleranzen kann der Restaurantbesuch schnell zur Belastungsprobe werden. Laktosefreie Alternativen, glutenfreie Gerichte oder histaminarme Menüs sind längst keine Ausnahmewünsche mehr. Studien schätzen, dass beispielsweise rund 20 % der Bevölkerung in Europa eine Form der Lebensmittelunverträglichkeit aufweist.

Für die gehobene Gastronomie heisst das: Wer Gäste auf höchstem Niveau verwöhnen möchte, muss auf individuelle Bedürfnisse vorbereitet sein. Der Anspruch an Transparenz und Fachwissen steigt – ebenso wie die Wertschätzung, wenn sich Gäste gut aufgehoben fühlen.

Die häufigsten Intoleranzen im Überblick


Laktoseintoleranz ist so weit verbreitet, dass sich jeder Gastronom damit auskennen sollte. (Bild: PhotographyByMK – shutterstock.com)

Laktoseintoleranz
Milchzuckerunverträglichkeit ist weit verbreitet. Viele Gäste schätzen es, wenn sie auf Alternativen wie laktosefreie Milch, Mandel- oder Haferdrinks zurückgreifen können – sei es im Kaffee, bei Desserts oder in der Sauce.

Zöliakie und Glutenunverträglichkeit
Während eine Glutensensitivität oftmals weniger strenge Massnahmen erfordert, ist bei Zöliakie grösste Vorsicht geboten. Selbst kleinste Spuren von Gluten können Beschwerden auslösen. Glutenfreie Brote, Pasta und separate Zubereitungsbereiche sind daher unverzichtbar.

Fruktoseintoleranz
Hier geht es nicht nur um Obst: Auch Zwiebeln, Honig oder Tomatenprodukte können problematisch sein. Küchen, die auf Wunsch fruktosearme Optionen anbieten, zeigen besondere Achtsamkeit.

Histaminintoleranz
Lange gereifte, fermentierte oder stark verarbeitete Lebensmittel wie Hartkäse, Rotwein oder Meeresfrüchte enthalten hohe Histaminwerte. Frische, schonende Zubereitung und individuelle Beratung sind hier entscheidend.


Histaminintoleranz kann starke Kopfschmerzen verursachen. (Bild: New Africa – shutterstock.com)

Erfolgsfaktoren für eine moderne Küche

Restaurants, die diese Herausforderungen souverän meistern, setzen auf drei zentrale Strategien:

  • Transparente Kommunikation
    Eine klare Kennzeichnung auf der Speisekarte erleichtert die Auswahl und schafft Vertrauen. Noch wichtiger: Geschultes Servicepersonal, das kompetent Auskunft geben kann.
  • Qualitätsbewusste Produktauswahl
    Regionale, frische Zutaten sind oft von Natur aus besser verträglich. Kooperationen mit spezialisierten Anbietern – etwa glutenfreie Bäckereien oder laktosefreie Käsereien – können das Angebot sinnvoll ergänzen.
  • Präzise Abläufe in der Küche
    Vermeidung von Kreuzkontamination, getrennte Arbeitsgeräte und durchdachte Küchenorganisation sind essenziell, um die Sicherheit sensibler Gäste zu gewährleisten.

Jeder gute Restaurantbesitzer wünscht sich zufriedene Gäste. (Bild: Drazen Zigic – shutterstock.com)

Praktische Tipps für den Alltag

  1. Weniger ist mehr: Lieber wenige, gut durchdachte Spezialgerichte als ein überladenes “Allergen-Menü”.
  2. Klarheit statt Kompromisse: Im Zweifel lieber ein Gericht nicht anbieten, als Unsicherheiten zu riskieren.
  3. Individualität zulassen: Kleine Anpassungen auf Wunsch (z. B. ohne Sauce, anderes Gemüse) können Grosses bewirken.
  4. Team schulen: Regelmässige Schulungen zu Lebensmittelunverträglichkeiten stärken Kompetenz und Servicequalität.
  5. Chancen erkennen: Ein hervorragender Umgang mit Intoleranzen kann neue Gästegruppen erschliessen und Stammgäste begeistern.

Moderne Gastfreundschaft denkt mit

Eine Küche, die auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Gäste eingeht, zeigt nicht nur kulinarisches Können, sondern auch eine tiefe Form von Wertschätzung.
In einer Zeit, in der immer mehr Menschen bewusster essen (müssen), wird echte Achtsamkeit zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil – besonders in der gehobenen Gastronomie.


Bei Histaminintoleranz gibt es viele Lebensmittel, die reizend wirken und gemieden werden müssen. (Bild: PhotoSGH – shutterstock.com)

Beispielgerichte für Gäste mit Intoleranzen

Für Laktoseintoleranz:

      • Gebratener Zander auf Gemüsebett mit Zitronenöl (ohne Butter oder Sahnesaucen)
      • Sorbet aus frischen Früchten (ohne Milch oder Rahm)
      • Risotto mit Gemüsefond und Olivenöl statt Käse und Butter

Für Zöliakie/Glutenunverträglichkeit:

  • Gebratenes Rindsfilet mit Kräuterkartoffeln und saisonalem Gemüse (ohne Mehlbindung in der Sauce)
  • Quinoasalat mit frischem Gemüse und Kräutervinaigrette
  • Gegrillte Jakobsmuscheln auf Kürbispüree (Püree ohne Mehlschwitze, rein mit Gemüsebrühe und Olivenöl)

Für Fruktoseintoleranz:

  • Zanderfilet auf Spinatbett mit Basmatireis (ohne Zwiebeln, ohne süssliche Saucen)
  • Rindstatar (puristisch gewürzt, ohne Zwiebeln oder süsse Marinaden)
  • Gegrilltes Hähnchenbrustfilet mit gedämpftem Brokkoli und Kartoffelpüree (ohne Milchzucker und Saucenbasis)

Für Histaminintoleranz:

  • Hühnerbrust an frischer Kräuter-Sauce (keine gereiften Zutaten, keine Tomaten)
  • Gedämpfter Kabeljau mit Zucchini und Kartoffeln
  • Frischer Salat mit Gurken, Blattsalaten und leichtem Kräuterdressing (ohne Essig, ohne fermentierte Produkte)

Je älter oder stärker verarbeitet ein Produkt ist, desto mehr Histamin enthält es.

  • Garnelen (und generell Krustentiere) sind ein grosses Problem bei Histaminintoleranz – auch wenn sie frisch sind, weil sie sehr schnell Histamin bilden können, sobald sie aus dem Wasser sind. Deshalb werden sie bei HI fast immer gemieden.
  • Erdbeeren enthalten selbst nicht viel Histamin, können aber bei manchen Menschen die körpereigene Histaminausschüttung anregen. Das nennt man Histaminliberatoren. Auch Tomaten, Schokolade und einige Zitrusfrüchte gehören dazu. Manche Menschen mit HI reagieren darauf, andere nicht – es ist individuell.

Zusammengefasst:

  • Hauptproblem = gereifte, gelagerte, fermentierte Lebensmittel (viel Histamin gebildet)
  • Zusatzproblem = Lebensmittel, die Histaminfreisetzung im Körper fördern (Histaminliberatoren, wie Erdbeeren, Tomaten, etc.)

Gut geschultes Personal sorgt für Stammkunden (Bild: fizkes – shutterstock.com)

Wie die Speisekarte gestalten?

Es ist natürlich dann auch sehr wichtig, wie man die Speisekarte ansprechend gestaltet, sodass sie für alle Gäste angenehm zu lesen ist. Dafür kann man aus verschiedenen Alternativen wählen.

Dezenter Hinweis auf der Hauptspeisekarte

Auf der ersten oder letzten Seite (zum Beispiel im Vorwort oder als kleine Fussnote) könnte stehen:

“Viele unserer Gerichte können auf Wunsch an besondere Ernährungsbedürfnisse angepasst werden (z. B. glutenfrei, laktosefrei, histaminarm). Sprechen Sie unser Service-Team gerne an.”

Das signalisiert Diskretion und Flexibilität – perfekt für ein anspruchsvolles Publikum. Dies wird bereits in vielen asiatischen Restaurants so gehandhabt.

Kennzeichnung einzelner Gerichte mit kleinen Symbolen

Bei den Gerichten könnte man ganz dezent Symbole oder Kürzel verwenden. Ein gutes Vorbild ist hier die Kennzeichnung von vegetarischen oder veganen Gerichten in vielen Fine-Dining-Restaurants: unauffällig, aber hilfreich.

Separate kleine Zusatzkarte oder Einleger

Man könnte eine kleine Karte ergänzen, etwa im Stil von:

“Unser Angebot für Gäste mit Unverträglichkeiten”

Gerne bieten wir Ihnen individuell angepasste Gerichte an. Beispiele finden Sie hier:

  • Risotto mit Gemüse (laktosefrei, glutenfrei)
  • Gegrillter Kabeljau auf Gemüsebett (histaminarm)
  • Quinoasalat (glutenfrei, fruktosearm)

Diese Karte könnte schlicht gestaltet sein und läge auf Nachfrage bereit oder wird auf Wunsch gereicht.
Vorteil: Die Hauptkarte bleibt stilvoll und aufgeräumt.

Kategorie „Anpassbare Gerichte“ innerhalb der normalen Karte

Zum Beispiel unter “Pasta und Reisgerichte” könnte man vermerken:

“Diese Gerichte können auf Wunsch glutenfrei zubereitet werden (z. B. mit glutenfreien Nudeln).”

Oder unter “Hauptgerichte” eine kleine Rubrik:

“Unsere laktosefreien Klassiker”
(Und dort 2–3 Gerichte auflisten.)

Ein wenig Fingerspitzengefühl ist dabei gefragt. Man möchte nicht zu sehr den Fokus auf Unverträglichkeiten legen und doch allen etwas anbieten. Hier muss man schauen, wie sich das fürs eigene Restaurant am besten lösen lässt. Am besten auch mal Feedback einholen, wie die angepasste Speisekarte ankommt – ob sich alle Gäste abgeholt fühlen oder abgeschreckt. Man kann auch in der Speisekarte um Feedback bitten oder es den Gästen generell leichtmachen damit, indem man kleine Kärtchen, ein Gästebuch bereitstellt oder online ein Angebot zum Bewerten einstellt, wie es viele grosse Fast Food Ketten bereits haben.

 

Titelbild: Denys Poliakov – shutterstock.com